Einbau vollhydraulische Scheibenbremse 'Lambretta'
 


Text:
Klara Himmel           Fotos: Klara Himmel           Datum:
  20.07.2005

Es gibt wohl kaum ein klassisches Zweirad, für das so viele Neuprodukte entwickelt werden, wie für die Lambretta. Nachdem das Augenmerk der meisten Leute jahrelang hauptsächlich auf Modifikationen im Motorenbereich lag, setzt sich nach und nach mehr die Erkenntnis durch, dass man die gewonnene Leistung auch auf die Straße bringen und vor allem kontrollieren will!

Neben den diversen Upgrades, die es für das Fahrwerk gibt, stehen Scheibenbremsen hierbei hoch im Kurs. Zwar führte Innocenti als erster Zweiradhersteller weltweit Scheibenbremsen in einem Großserienfahrzeug ein (TV 175/3), doch waren diese den Premium-Modellen vorbehalten und überzeugen bei unkorrekter Wartung/Einstellung nicht zu hundert Prozent.
Mit den Originaltrommeln lassen sich bei korrekter Montage erstaunlich gute Ergebnisse erzielen, doch halten sie mit einer hydraulischen Bremse, gerade was den exakten Bremspunkt angeht, nicht mit, bieten aber für die Schraubfaulen, den nicht zu vernachlässigenden Vorteil der großen Wartungsarmut.
Wer sich für eine Scheibenbremse entscheidet, steht nun vor einer großen Auswahl.
Bei allen im folgenden beschriebenen Anlagen besteht die Möglichkeit die Systeme semi- oder voll-hydraulisch zu fahren. Zum ersteren werden Leute tendieren, die den Lenker optisch möglichst original erhalten wollen (und hierfür den Hauptbremszylinder hinter die Kaskade verlegen), zum zweiten diejenigen, die das Maximum aus der Anlage holen wollen und dafür "optische Defizite" in Kauf nehmen.

INNO-REPLIKA-SACCHI
Nachdem Originalbremsen jahrelang in Gold aufgewogen wurden, gibt es inzwischen die Originalscheibe als Repro von Tino Sacchi, welche auch auf Hydraulik umgerüstet werden kann, und neben der tollen Optik eine zentrale Scheibe bietet (= gleichmäßige Belastung der Forklink-Buchsen). Nachteil ist, dass man für Trommelbremsmodelle entsprechende Forklinks benötigt, deren Fertigungsqualität anscheinend stark variiert (bzw. zeitaufwendig nachzuarbeiten sind). Für denjenigen, der möglichst nah an die Originaloptik kommen will, erste Wahl. Über die Fertigungsqualität kann ich an dieser Stelle keine Aussage treffen, da ich noch keine Anlage zur näheren Inaugenscheinnahme da hatte.

MB-DEVELOPMENTS
Wie alle Bratwurst-Produktionen, seiner eigenen Meinung nach das Non+Ultra. Sportiv-formschön, gegossene Ankerplatte mit außenliegender und schwimmender Scheibe in Fahrtrichtung rechts. Hochwertige Komponenten, abgesehen von den MB-selbstproduzierten Gussteilen (welche oft die Oberflächenstruktur eines Orion-Mondes nachahmen). Schönes, in Europa entwickeltes und produziertes Teil mit guter Passform und Wirkung. Nachteil sind der durch den Umtauschkurs bedingte hohe Preis und die ungünstige Handpostion (welche sich durch Nachbearbeitung des Hebels beheben lässt).

SCK
Der MB-Anlage nicht unähnliche Lösung – allerdings mit geschweißter Ankerplatte. Mir persönlich ist ein Fall bekannt, bei dem diese Schweißnaht riss. Was bei Auspuffanlagen passieren kann, ist im Fall von Bremsanlagen ein "NoGo". Für Rücksprache vielleicht einfach Kontakt mit dem freundlichen Team vom SCK aufnehmen.

PM-Tuning
Hightech-Bremse aus Alu gefräst. Ursprünglich für das S5-Projekt als Doppelscheibenbremse mit 'Antidive' entwickelt, gibt es auch eine Einzelscheibenversion, dessen Antidive, diese Bremse interessant macht. Gewöhnungsbedürftig ist die futuristische Optik, als Nachteil sind der Einzelkolbenbremssattel, sowie der hohe Preis zu sehen. Die Montage der Antidive-Halterung sollte nicht durch Laien geschehen.

Jockeys Boxenstop Bremse
Von dem süddeutschen Rollerladen entwickelte und vertriebene Bremse. Zum Zeitpunkt der Textverfassung auf Grund von Überarbeitung nicht lieferbare Anlage, deren Hauptvorteil die Bremsscheibe in Fahrtrichtung links sein dürfte, welches ein komplettes "cleanen", der rechten Seite erlaubt. Laut Aussage einiger Nutzer sehr positive Anlage, die durch Unauffälligkeit glänzt.

Stoffis Garage
Die österreichische Tuningschmiede bietet zwei Versionen ihrer in Fahrtrichtung rechts angeschlagenen Bremse. Sowohl als "antidive", als auch als  "standard". Sauber gearbeitet, hochwertige Komponenten und Doppelkolbensattel sind die Hauptvorteile.

ScootRS
Die Preisbrecher-Bremse aus Asien mit Doppelkolbensattel und als einzige, außer der MB (und eingeschränkt der Jockey) mit Komplettausstattung. Die Entscheidung zu dieser Bremse fiel über den Preis. Über die technischen Details erfährt man mehr im folgenden Text. Eine Warnung hierzu sei noch ausgesprochen!!! Man sollte die Bremse auch wenn sie als Neuteil offeriert wird nicht über ebay/etc. ersteigern, da dort offensichtlich Ausschussware vertrieben wird, sondern direkt vom Hersteller oder einem anerkannten Importeur. (Insbesondere sei hier vor dem Anbieter "Bluemoon" gewarnt!)



Wie immer, wenn es um technisch anspruchsvolle Arbeiten geht, begibt sich Klara mit ihrer Lambretta in die superausgestattete Werkstatt der Firma PLANET SCOOTER in Hagen.

Als erstes wird die Lambretta (in diesem Fall eine Serveta mit Trommelbremse) auf die Bühne gestellt und man demontiert das Vorderrad sowie die Trommel.

Ebenfalls die Lenkkopfabdeckung und die Kaskade müssen demontiert werden, um an die Lenkerinnereien zu gelangen.

Anschließend wird der Lichtschalter abgebaut (Zeichnung oder Foto der Anschlüsse zur Sicherheit machen) um die Halterung für den Hauptbremszylinder (im Kit enthalten) zu wechseln.

Schon kann die Montage der Neuteile beginnen. 

Die dem Kit beigelegte Gummibremsleitung fand kurz nachdem sie einen ersten, schüchternen Blick in die europäische Sonne warf wieder in ein dunkles Verlies geworfen (den Mülleimer), da sie einfach unseren Ansprüchen nicht gerecht wird. Ersetzt wurde sie durch eine 100cm lange Stahlflexleitung von Polo mit entsprechenden Fittings. Mit einer entsprechend, langen Leitung kann man auch den Lauf des originalen Bremsseils nachahmen, mir persönlich gefällt die "reverse-pull" ähnliche Lösung besser.

Das Loch für die Leitungsdurchführung wurde wie auf dem folgenden Bild gezeigt gewählt.  Hierzu fräßt man den unteren Lenkkopfteil mit einer Fräse entsprechend aus und passt, falls noch Spannung vorhanden sein sollte, das Oberteil mit einer Rundfeile an. Diese Position des Lochs bietet den Vorteil das man die Leitung in einem sanften Bogen zwischen Tacho und Scheinwerfer in den unteren Bereich durchführen kann. Auch erlaubt diese Position, die simple Umrüstung auf einen formschöneren, kleinen  Grimeca-Geber (welcher für den ScootRS eigenen Halter modifiziert werden muss !).

Häufig sieht man das die Leitung rechtwinklig in den Lenkkopfausleger zurückgeführt wird – neben den Platzproblemen kann die Leitung auf Dauer hierbei mit dem Gasgestänge/Rolle in Berührung geraten und Schaden nehmen.

Anschließend montiert man in umgekehrter Reihenfolge Gasrolle/Schalter etc.

Die Bremsleitung wird hinter der Kaskade mit Kabelbindern fixiert und wo nötig (in Bewegungsbereichen) mit Gummi ummantelt/geschützt. Somit ist die Montage im "Oberstübchen" erst mal abgeschlossen und wir wenden uns dem Erdgeschoss zu. Das ScootRS-Kit gibt es in verschiedenen Versionen welche für die unterschiedlichen Forklink-Typen konzipiert sind (Im Falle der Serveta >Trommel mit Dämpfer<).

Die vormontierte Trommel wurde auseinander gebaut (mehr aus Neugier als Notwendigkeit) und neu gefettet und der schwimmende Sattel mit Loctite gesichert. Anschließend wurde wie beim Reifenwechsel das Rad aufgezogen und in die Gabel eingeführt. Hierzu musste man etwas druck nach Außen auf die Forklinks ausüben, um die Trommel einzufädeln.

Anschließend zeigte sich, dass das Rad schräg steht.

Durch nochmaliges lösen der Trommelmuttern und akkurates Ausrichten wurde der Schiefstand behoben. (Bei komplett neumontierten Gabeln/Innenleben kommt man, um eine Überprüfung der Abstände/etc. nicht herum – und der Fehler dürfte meistens im Bereich der Anschlaggummis bzw. Forklinks selber zu finden sein).

Nachdem das Rad gerade und mittig steht, wird die Leitung fest angeschlossen und die Bremse entlüftet. Ein Job der zu zweit leichter und angenehmer durchzuführen ist. Am besten hierbei das Beinschild mit einem Tuch abdecken, um den Lack vor Schäden durch die Bremsflüssigkeit zu schützen.

Als letzten Schritt bastelt man sich einen Abstandhalter für die Leitung, um zu garantieren das diese sich jeder Zeit berührungsfrei bewegt, und somit vor Verschleiß/Beschädigung geschützt ist.

Hierzu gibt es mehrere Möglichkeiten: Zum einen kann man sich sündhaftteure Spezial-Edelstahlteile in GB bestellen, wie ich eine ultra-rare Choke-Kabeldurchführung aus einer TV1 nehmen oder sich einfach eine Halterung aus einer Fahrradspeiche biegen. Befestigt wird diese an der oberen Stoßdämpfer-Aufnahme, sodas die Leitung über den kompletten Bereich frei schwingen kann, falls dies nicht der Fall ist, leicht nachjustieren.

Fertig! 

Im Fahrbetrieb überzeugt die Bremse mit gutem Druckpunkt, das auf den ersten Metern ungewohnte Einlenken durch das höhere Gewicht verflüchtigt sich schnell. Nach ein paar Runden auf dem Nürburgring ließ sich auch kein Fading feststellen. Auch Groß-Glockner Abfahrten sind mit dieser Bremse eine Wonne. Bisher zeigt sich kein nennenswerter Verschleiß. Einziges Manko ist das, durch das Fehlen eines anti-dive, verursachte starke Bremsnicken.

Fazit ein sinniges Sicherheitsfeature zu einem guten Preis! Die Ankerplatte sieht massiv genug für eine Umrüstung auf anti-dive aus! Aber das ist eine andere Geschichte, die Klara vielleicht eines Tages erzählt...

Vielen Dank an das Team von Planet Scooter!

Eure
Klara Himmel

Bei Fragen: info@hidden-power.de