Ijsselkrieg 2003 
Canonball-Rennen rund um das Ijsselmeer - Niederlande, 05. April 2003
 


Text:
Klara Himmel           Fotos: 26.04.2003           Datum:
  11.04.2003

Ijsselkrieg 2003 – Der Canonball der Niederlande

Seit je her bin ich großer Fan sogenannter Canonballs, und verfolge diese soweit möglich über die Rollerpresse, vor allem die Bemühungen der Liga Süd haben es mir angetan. Der ausführliche Artikel in der "Scootering" über den letzten Alpen-Canonball tat da natürlich sein übriges. Als ich über das Internet von einem Canonball um das Ijsselmeer erfuhr war klar das keine Mühen aber Kosten gescheut werden, um daran teilzunehmen.

Vorbereitung ist natürlich alles um erfolgreich an einem Rennen teilzunehmen. So machte ich mich kundig worauf so zu achten ist. ...vor dem Start. Grundlegend ist natürlich die Wahl des richtigen Fahrzeugs. Da die Niederlande sehr flach sind und die Strecke nicht groß durch kleine Innenstädte, sondern über gerade Landstraßen verlief, schied eine Vespa auf Grund ihres kippeligen Fahrverhaltens von vorneherein aus. Praktisch das ich noch eine DL200 in der Garage hab, die einen perfekten und bequemen Geradeauslauf bietet. Da Tuning meistens den Zeitraum zwischen den daraus resultierenden, häufiger auftretenden Pannen verkürzt., entschied ich mich mit meinem Originalmotor zu fahren, und die Reichweite durch die Anbringung eines Zusatztanks , den ich bei "e-bay" ersteigerte, zu erhöhen....vor dem Start. So sollte es mir möglich sein Leute mit schnelleren Rollern, während diese tanken, zu überholen. Ein Phänomen das man nur zu gut von Autobahnetappen auf dem Weg zu Runs kennt. Das Hase und Igel-Prinzip.
Nachdem das Fahrzeug damit ausreichend vorbereitet war, ging es nun darum den Fahrer fit zu machen. Da ich nicht zum Tanken anhalten wollte, wäre es nur sinnvoll , wenn ich dies auch nicht tun würde um den eigenen Flüssigkeitshaushalt zu regeln. Also zog ich 2 Wochen vor dem Rennen jeden Abend durch die schangeligsten Kneipen des Reviers um zu trainieren mir selber am Bein runterzupissen. Nach leichten Startschwierigkeiten gelang dies von mal zu Mal besser und ich kann fast gar nicht mehr damit aufhören. Außerdem guckte ich vor dem schlafen gehen jeden Abend 2 Stunden lang das Video mit dem Mr. Burns, Knecht Ruprecht zum Kampfhund ausgebildet hat, um mein unterentwickeltes Aggressionspotential zu fördern.Team Ruhrpott auf der Bahn
Als drittes galt es noch den Transport zuregeln, da ich auf eine Anfahrt auf eigener Achse keine Lust hatte.
Auch hier gilt es von großen, historischen Vorbildern zu lernen. So las ich nach das Mercedes-Benz seine Silberpfeile in den 50ern auf einem eigens entwickelten, blauen Renntransporter zu den Rennstrecken fuhr um die Gegner mit der hohen Geschwindigkeit des Transporters alleine zu verunsichern. Wie gut das ich einen blauen R4-Kastenwagen besitze, der eventuelle Gegner bestimmt in Grund und Boden ängstigen würde.
Nachdem dies alles erledigt war hieß es die wichtigste Lektion zu lernen- Alles über den Haufen werfen und umdisponieren- da am Mittwoch vor dem Rennen die Buschtrommeln unerwartete Gegner aus Dortmund und Marl meldeten.
Über Radwege und rote Ampeln raus aus Amsterdam Schnell stellte sich heraus , dass ich nicht der einzige Beschmierte aus dem Pott bin, der zum "Ijsselkrieg" will, und so bildeten ich eine Fahrgemeinschaft mit dem selbsternannten "Team Ruhrpott" (eine Idee, die mich vor Neid erblassen ließ). Ein weiter Interessent aus Marl erschien dann doch nicht , weil er die Schnürsenkel falsch zusammen gebunden hatte oder so was ähnliches.
So hieß es dann nach einer Doppelschicht am Donnerstag und einem spontanen Frühdienst am Freitag bei strahlendem Sonnenschein auf in das Land der Tulpen und Trombosen-Destination Amsterdam. Abgesehen davon das wir uns nicht richtig einigen konnten wer trinkt und wer fährt, verlief die Fahrt mit Oli von den Twisted Pistons und Sven vom LCD feuchtfröhlich entspannt.
Jaco am Main-Checkpoint Amsterdam ist ein ziemlicher Autobahmmoloch, aber das kann Jungs aus dem Revier ja nicht schocken. Nach einiger Rumgurkerei fanden wir dann endlich den Campingplatz, der unter einer Autobahnbrückeninsel lag. Auf dem Campingplatz stand eine kleine Halle, die als Treffpunkt/Frühstücksmöglichkeit/Nighterraum vorgesehen war.
Und hier saßen schon die internationalen Gegner versammelt. Unter anderem zu meiner fröhlichen Überraschung Sticky, der schon den Alpencanonball gewonnen hat. Den Abend über versuchte man nun die Anderen betrunkener zu machen als man selber war um die Performance des nächsten Tages zu schwächen. Dies gelang mehr oder minder gut. Mein AmBeinrunterpiss-Training kam mir hierbei, aber sehr zu Gute. Über den Abend trudelten dann noch einige Teilnehmer ein.
Klara am Checkpoint Der nächste Morgen empfing einen mit starkem Nordwind und eisiger Kälte. Nach einem kurzen Frühstück begann mit einstündiger Verzögerung das Briefing. Man bekam eine kleine Karte einen Stift und einen Zettel mit Fragen die man auf dem Weg zu lösen hatte, damit sich niemand an den Kontrollpunkten, die Eier abfrieren musste.
Gegen 11 Uhr ging es dann zum Massenstart der 29 Fahrer!!!
Ich hielt mich hierbei im hinteren Drittel des Feldes auf und orientierte mich an Jaco, einem Niederländer und Lambrettakumpel um mich aus Amsterdam herauslotsen zu lassen. Fröhlich ging es über Radwege und rote Ampeln raus aus der City. Schnell zog sich das Feld das hauptsächlich aus Largeframevespen, einigen Lamys und einer mit zwei Personen besetzten Maicoletta(!) bestand auseinander.
Als Jaco zum tanken abbog fuhr ich weiter Richtung Norden entlang des Westufers des Ijsselmeeres unter starkem Gegenwind, aber trockenem Wetter.
Das Team Ruhrpott befand sich zu dieser Zeit vor mir. Erstaunlicherweise wurde ich auf der ersten Etappe zwei mal von Sticky überholt und schon auf diesem Stück zeigte sich das mein Kartenmaterial nicht ausreichte, um die nicht geplanten Baustellen, etc. zu umgehen. Hier zeigte sich auch was für geniale Menschen, die Niederländer sind. Bei einer Ortsdurchfahrt kam ich mit quietschenden Reifen neben einem Opa zu stehen und fragte diesen hektisch nach dem schnellsten Weg gen Norden um eine Straßensperrung zu umgehen . Er guckte nur kurz auf meine Karte zeigte den Weg und als ich mit infernalischem Krach und einem kurzen –bedankt- abrauschte sah ich ihn im Rückspiegel mit den Händen klatschen. Vielleicht der Dorfnarr, aber hochsympathisch!
Maicoletta mit zwei Personen besetzt! Vorlezter der Angekommenen. Beim nächsten Kontrollpunkt traf ich auf das Team Ruhrpott, welches gerade die Auspuffhalterung an Svens RAP checkte. Schnell ging es weiter und auch in diesem Dorf wurde mir freundlich der Weg gewiesen.
Auf der nächsten Autobahnetappe wurde ich von der DangerSeeker TS1 überholt, die auch mit einem Zusatztank ausgestattet war, und so blieb mir nur die Hoffnung auf technische Defekte oder eklatante Fahrfehler Carstens.
Da die ohnehin spärliche Bebauung nun immer mehr abnahm, schlug der Gegenwind unerbärmlich zu, und meine Kiste lief auf der Bahn nur unglaubliche 90km/h. Auf diesem Teilstück gingen auch die meisten Vespen mit Kupplungs/Motorschäden hoch. Auf der Mitte des Damms, der über das Meer führt war der Hauptkontrollpunkt eingerichtet, bei dem ich mit 5 Min. Abstand auf den Führenden Sticky eintraf. Hier wartete auch Jaco, der sich genüsslich (ein Kippchen rauchte und mich überholt haben musste während ich in den Dörfern rumgurkte.
Nach einer kurzen Orientierung ging es sofort weiter, und noch auf dem Damm überholte ich zwei Vespen , die am Rand auftankten. Mein Plan schien immer besser zu funktionieren!
...jeder bekommt, was er verdient hat! Auf der Ostseite des Meeres gen Süden stellte sich nun der umgekehrte Effekt des Nordwindes ein und die Lamy hatte eine Topspeed, den ich nur aus 205erHonda-Tagen kenne. Das Feld hatte sich nun soweit auseinander gezogen, das man lange Zeit keinen Gegner sah. Mit Ausnahme meines Spezialfreundes , der eine heftig getunte rote Smallframe fuhr, gegen die ich leistungsmäßig kein Land sah. Irgendwie habe ich ihn abgehängt (Tankstop?) bis ich an einer hochgeklappten Schiffsbrücke wieder von ihm eingeholt wurde. Wenn es nicht Zeit gekostet hätte, wäre mir vor Wut die Kotze aus dem Gesicht gesprungen! Nach der Brücke gab er mir dann die Säge und ich verlor Meter auf Meter auf ihn. Nach 220km lief dann mein Zusatztank leer und ich war etwas baff, da ich die Spritmenge zwar nicht zu knapp berechnet, aber der Scheißgegenwind den Verbrauch doch extrem hoch gepuscht hatte. Also Haupttank an und weiter. Nach einer langgezogenen Kurve sah ich mich dann mit einem sehr interessanten Problem konfrontiert, da sowohl auf meiner Spur als auch auf der eigentlichen Fahrspur diverse PKW frontal auf mich zufuhren. Ein ausweichen auf den Radweg war auch nicht möglich, da dieser von Joggern/Radfahrern blockiert war. Es dauerte ein paar Sekunden bis ich gecheckt hatte das ich in einen Marathon geraten war und die auf meiner Spur befindlichen Fahrzeuge Begleitfahrzeuge der Marathonläufer waren. Da auch einiges an "Politie" anwesend war, hieß es Piano weiterfahren.
Party, Party, Party Nach weiteren 15km traf ich dann auf den Mann mit der Smallframe am Straßenrand. (Kolbenklemmer). Gegen das übliche Rennverhalten hielt ich an um zu Fragen, ob er Hilfe braucht. Da nix zu machen war fuhr ich dann gegen mich alleine weiter. Inzwischen war ich auf der Südseite des Meeres angelangt und die Wolken, die sich immer mehr zugezogen hatten, brachen auf und der blaue Himmel brach durch während einem leicht die Gischt gegen den Helm flog, wenn man nah an der Deichkante fuhr. Großartig! Hier begann nun der bescheidenste Teil des Rennens für mich, da ich mich in einigen Käffern verfranste und die Sorge um meinem Spritvorrat exponential mit der Kilometerleistung stieg. 50km vor dem Ziel entschloss ich mich daher eine Tanke anzulaufen, die aber nicht so leicht zu finden war.
Dann ging es auf die letzte Autobahnetappe Richtung Amsterdam, auf der Carsten seine Siegchance verspielte, als er in die falsche Richtung auf die Autobahn fuhr, was den hinter ihm liegenden Sticky sehr verwirrte. Auf der Autobahn hatte ich dann noch eine Zeit lang ein Begleitfahrzeug in Form einer Bullen-BMW, der sich offensichtlich sehr für meine Zusatztanktechnik interessierte. Party, Party, Party Zum Glück wurde ich nicht angehalten, denn das hätte mich zeitlich noch weiter zurückgeworfen. An einer Tanke sah ich dann das Team Ruhrpott, das mich irgendwo Überland überholt haben musste.
Bei der Ankunft in Amsterdam selber verfranste ich mich dann noch auf der Suche nach dem Campingplatz, da ich einen ausgeschilderten anfuhr, welcher aber nicht der Richtige war und die Zufahrt zu dem Eigentlichen von einer Seite gesperrt war. Dies ärgerte mich ziemlich, da ich dachte ich würde noch auf den letzten Metern vom Team Ruhrpott abgezogen. Die Zieleinfahrt war dann sehr spaßig, da man gefilmt wurde, und ich war baff wie viele Roller vor mir angekommen waren. Etwas über eine Stunde hatte ich auf den Ersten Sticky (Speed Demons SC) verloren, im Gegensatz zu den 5 Min. am Checkpoint auf der Hälfte der Strecke. Carsten (Danger Seeker SC) hatte den Zweiten gemacht! Und Jaco war natürlich auch schon da und rauchte ein Kippchen. Etwas über 4h45min reichten für Platz 11. Das Team Ruhrpott ereilte auch mein Orientierungsschicksal und trudelte 40min. nach mir ein.

Insgesamt 28 Starter- 18 angekommen (5 Vespen geplatzt, darunter auch Jensens vom Twisted Pistons SC; Beileid, alle Lamys sind durchgekommen- soviel zum Thema Zuverlässigkeit!) und ein Tag voller Adrenalin, toller Landschaft und Glücksgefühlen.

Meine persönlich liebste Statistikauskunft – Drittschnellste Lamy –

Nach einem kurzen Ausflug mit Frank, einem Tomy der in der Nähe von Amsterdam lebt, um zu essen, etc., ging es dann auf den abendlichen Nighter, der nicht so üppig besucht war, was den an dem Rennen teilnehmenden egal war, da man über persönliche Rennstorys sprach. Um 23.15Uhr trudelte dann noch der härteste Rochen ein. Party, Party, Party Ein junger Mod aus Amsterdam war geschlagene 12.15min. auf seiner 50er Jahre-Vespa gefahren ohne aufzugeben! Maximaler Respekt!!!
Durch einsetzende Erschöpfung und Überdosierung von Rauchwaren war ich dann reif für das Nachtlager! Wenn ich es richtig verstanden habe, hat dann noch der Sieger in der Haltung eines englischen Edelmannes auf sein Sieggeld verzichtet, da die Abendveranstaltung, die Ausrichter finanziell überfordert hätte. Wer bei einer Wiederholung des Rennens, die Möglichkeit hat mitzufahren, sollte sich dies auf keinen Fall entgehen lassen.
Mein ganzer Dank geht hierbei an den AMSTERDAM CLASSIC SCOOTER CLUB, http://www.amsterdamvespaclub.com, der die Sache ausgerichtet hat. Insbesondere Bart Phillips, Jeroen Mooij, Johan Groen, John van Tuyll, Edo Schubert, die einen als Freunde empfangen haben.
Dank natürlich auch an das Team Ruhrpott, meinen Öl-Sponsor PLANET SCOOTER, Jaco, John & Oli für die Photos, und natürlich an alle die nach mir in das Ziel kamen und mit dieser Geste mein Glück steigerten.
Abschließen möchte ich mit einem kleinen Zitat aus einer Rezension über das Buch Canonball von Brock Yates (dem Veranstalter des 70er Originals) “Canonball! Ist ein Bericht aus einer längst vergessenen Zeit, als Männer noch Männer waren, Autos noch keine abgasgedämpften Wattebäuschlein und der Westen noch lockte“

Danke – Eure Klara Himmel

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